"Hier links gibt es auch eine kleine Bar. Also nur, falls du noch Zeit und Lust hast." murmelst du leise vor dich hin.
Ohne weiter nachzudenken, gehe ich einfach nach links. Überrascht von meiner selbstsicheren Handlung, drehe ich meinen Kopf zu dir und frage: "Kommst du mit?"
Du stehst einen Moment verdutzt da und siehst mir nach, dann lachst du und folgst mir. Ich meine sogar, einen kleinen Hopser gesehen zu haben. Vollkommen hin und weg von dir grins ich in mich hinein.
Du hast nicht übertrieben, die Bar ist wirklich klein. Die Fenster sind so groß wie das Schaufenster eines Kaufladens und man kann von außen das gesamte Geschehen beobachten. Die Bar selbst in der Bar ist groß, nur vor die Theke passt gerade eine Reihe zum Trinken oder Bestellen und dann gerade jemand, der an den Bestellenden vorbei will. Kommen sich zwei entgegen, wird sich freundlich aneinander vorbei gequetscht. Die Stimmung scheint locker lässig zu sein und das Publikum eher Studenten. Ich fühle mich etwas alt!
Wir gehen rein, es ist laut, es stinkt, ganz wie Zuhause denk ich mir und verkneife mir diesen Witz, um diesen bisher so schönen Abend nicht mit meinem albernen Humor zu ruinieren.
Du drehst dich kurz zu mir um, schaust erwartungsvoll, als ob du auf genau diesen Kommentar warten würdest.
Bevor ich noch was Blödes sage, frage ich lieber "Was möchtest du denn trinken?"
"Jetzt bin ich mal dran, was darf ich dir holen?", erwiderst du schnell.
Ich überlege kurz, "Ein Helles, muss ja noch Auto fahren."
Du kommst zurück, mit zwei Bier in der Hand, einem Grinsen im Gesicht und tanzenden Hüften zur Musik. Wie kann man denn eigentlich so gut aussehen, wir sind bereits den halben Tag unterwegs und ich sehe bestimmt schon total fertig aus. Dein Style, wie du dich zur Musik bewegst, dieses Strahlen im Gesicht und deine Frisur, die mittlerweile über den Tag etwas wilder geworden ist, aber eben immer noch genau passend und wunderschön aussieht.
Deine Lippen, wie sie… Oh Shit…
Deine Lippen haben sich bewegt, du hast mit mir geredet und ich hab
dich wieder nur in Gedanken verloren angestarrt.
"WAAS? GANZ SCHÖN LAUT HIER", versuche ich mich abermals raus zu reden.
"Idiot" lachst du mich an und ziehst mich mit nach draußen.
"Wo bist du denn mit deinen Gedanken? Wenn du nach Hause musst, sag es einfach!", drehst du dich erst lächelnd und dann eher genervt um.
"Nein ganz und gar nicht", ich gehe einen Schritt auf dich zu "Die Zeit mit dir vergeht viel zu schnell", murmel ich.
Stille. Ein viel zu langer Augenblick der Stille, in dem wir Blicke austauschen und an unserem Bier nuckeln. Also jeweils, nicht am selben.
Hab ich's verkackt? Frag ich mich. Hab ich was blödes gesagt? War das zu viel? Oder hätte ich sie vielleicht schon längst küssen sollen? Aber diesen Schritt traue ich mich noch nicht zu gehen, doch nicht beim ersten Date. Das macht man so ja nicht, oder? Ich würde alles geben, um jetzt zu wissen, was in dir vorgeht.
"Lass uns gehen", platzt du plötzlich raus.
Verdutzt schau ich dich an, während du dein Bier abstellst. Bereit zu gehen.
Und etwa auch bereit, den Abend zu beenden? frage ich mich.
Sowohl der Schwabe, als auch der Schüchterne in mir zwingen mich mein Bier auszutrinken. Ich stell die leere Flasche ab und schau dich fragend an. Du gehst los, greifst meine Hand und ziehst mich wieder mit. Ich versteh die Welt nicht mehr, willst du mich etwa so dringend los werden?
"Ich treffe mich gleich noch mit ein paar Freunden im Club." erklärst du.
Ja okay, denk ich mir. Das muss ja nicht unbedingt heißen, dass ich es bei dir verspielt habe. Also nicht unbedingt. Oder ist das nur eine Ausrede?
Während du mich an der Hand weiter ziehst, streich ich mit meinem Daumen dabei über deine Handfläche. Ich wusste nicht, dass jemand tolle Hände haben kann, aber Du hast auf jeden Fall welche. So weich, so zart, so warm, so perfekt in meine Hand passend. Ob dort irgendwann ein Ring landet? Mein Ring? Ob ich sie überhaupt jemals nochmal halten werde?
Du stoppst, drehst dich zu mir um. Wir stehen zwischen zwei Säulen, abseits, niemand in der Nähe.
"Eines muss ich aber vorher noch wissen!" sagst du leise, während du noch meine andere Hand nimmst und mich etwas weiter in die Nische zwischen den Säulen schiebst.
Oh-oh, denk ich mir, vermutlich meine letzte Chance, das Ruder noch einmal herumzureißen. Aber was kommt jetzt? Ob ich in Zukunft einfach nichts mehr sagen soll, wenn wir unter Leute sind? Ich glaube, das wäre sogar okay für mich!
Soll ich etwa immer zu Hause bleiben oder gar eingesperrt werden? In meinem Kopf bilden sich bereits die wildesten Theorien. Du küsst mich. Während ich in Gedanken Katastrophen heraufbeschworen habe, hast du dich an mich geschmiegt und deine weichen, warmen Lippen auf die meinen gelegt. Ein unglaubliches Gefühl des Glücks durchströmt meinen Körper und wärmt mich in der inzwischen kühlen Nacht. Bevor der Kuss zu schnell endet, streiche ich mit meiner Hand über deinen Hals zu deinem Nacken und halte dich fest.
Unser Atem verschmilzt, während unsere Zungen zuerst einen langsamen, dann doch immer leidenschaftlicheren Tanz vollführen. Wie zwei Teenies müssen wir hier stehen und knutschen, denke ich mir, aber das ist mir gerade alles egal! Mit meiner anderen Hand versuche ich dich noch näher zu mir zu ziehen, obwohl du dich schon an mich presst. Auch deine Hand wandert in meinen Nacken. Ich bekomme Gänsehaut. Völlig hypnotisiert von diesem Kuss habe ich das Gefühl, als würden meine Beine davon schmelzen.
Ganz außer Atem lösen wir uns langsam voneinander, doch unsere Gesichter bleiben nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Mein Blick wandert zwischen deinen Lippen und Augen hin und her. Ich spüre die Wärme deiner Wangen und ich wünschte, dieser Moment könnte ewig andauern. "Meine Freunde warten." hauchst du mir entgegen. "Aber" ich bekomme fast keinen Ton raus "Aber was wolltest du denn noch wissen?" "Das reicht mir, ich weiß, was ich wissen wollte", erwiderst du lächelnd und verschwindest hinter der Säule.